Denn die Hoffnung endet nie – historischer Hintergrund

Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Nach der Kapitulation Polens verleibten sich sowohl Hitler-Deutschland als auch Stalin Teile des Landes ein und Polen hörte als Staat auf, zu existieren.
Am 26. Oktober 1939 wurde mit den vier Regionen Krakau, Radom, Lublin und Warschau das »Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete« gebildet und unter deutsche Zivilverwaltung gestellt. Hauptstadt wurde Krakau. Warschau sollte großflächig zerstört und in eine »deutsche Provinzstadt« umgewandelt werden.
In den eroberten Gebieten Polens wurden die Reichsgaue Danzig-Westpreußen und Wartheland neu gegründet. Heinrich Himmler hielt 1942 eine Rede in der SS-Junkerschule Tölz, in der er diese Gebiete als »Zucht- und Pflanzgarten des germanischen Blutes« bezeichnete. Geplant war, innerhalb einer Dekade eine sogenannte Germanisierung durchzuführen. Im Zuge dessen wurden vor allem polnische Intellektuelle, Adelige und Juden direkt vor Ort oder nach ihrer Deportation ins Generalgouvernement bei Massenerschießungen und in Vernichtungslagern ermordet.
Direkt nach der Kapitulation Polens bildeten sich verschiedene polnische Widerstandsgruppen, aus denen sich 1942 die Armia Krajowa, die Polnische Heimatarmee, formierte. Diese hielt die Verbindung zur Exilregierung in London und plante den Warschauer Aufstand, der vom 1. August 1944 bis zum 2. Oktober 1944 dauerte. Rund 40.000 Soldatinnen und Soldaten der Armia Krajowa versuchten unter Führung von General Tadeusz Komorowski, Warschau aus eigener Kraft zu befreien. Nach erbittert geführten Häuserkämpfen brachten die polnischen Verbände in den ersten Tagen Teile der Stadt unter ihre Kontrolle, bevor die nach dem SS-Gruppenführer Heinz Reinefarth benannte Kampfgruppe Reinefarth die Oberhand gewann. Zu den Reinefarth unterstellten Einheiten gehörte auch das SS-Sonderregiment Dirlewanger, benannt nach dem u.a. wegen Unterschlagung und Landfriedensbruch vorbestraften SS-Oberführer Oskar Dirlewanger. Mit seiner Sturmbrigade ermordete er allein am 5. August 1944 in den Warschauer Stadtteilen Ochota und Wola bis zu 15.000 Frauen, Männer und Kinder. Insgesamt wurden zwischen dem ersten und fünften August allein in diesen beiden Stadtteilen schätzungsweise 50.000 Zivilisten Opfer dieser beiden Einheiten. Am 2. Oktober 1944 musste sich die Armia Krajowa den Deutschen ergeben. Mit ein Grund für die Niederlage war, dass Stalin ihnen die erhoffte militärische Unterstützung verweigert hatte. Rund 180.000 Polen, die meisten von ihnen Zivilisten, sind ums Leben gekommen, 60.000 wurden in Konzentrationslager deportiert. Anschließend ordnete Himmler die planmäßige und systematische Zerstörung Warschaus an. Der in Kapitel vierzehn unseres Romans zitierte letzte Funkspruch aus Warschau ist tatsächlich einer der letzten, den die Armia Krajowa im Oktober 1944 nach London absetzte.
Oskar Dirlewanger geriet kurz nach Kriegsende in französische Gefangenschaft. Laut Zeugenaussagen wurde er von ehemaligen polnischen Zwangsarbeitern erkannt und getötet. Heinz Reinefarth machte nach dem Krieg politische Karriere und wurde Bürgermeister von Westerland auf Sylt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte in den sechziger Jahren wegen seiner Kriegsverbrechen gegen ihn, was seinen Rückzug aus der Politik zur Folge hatte. Die Ermittlungen wurden jedoch eingestellt und Reinefarth arbeitete als Rechtsanwalt in Westerland, wo er 1979 starb, ohne je für seine Verbrechen belangt worden zu sein.

Der Lebensborn war ein von der SS getragener, staatlich geförderter Verein. Er wurde am 12. Dezember 1935 gegründet, mit dem Ziel, nach den Maßgaben der Rassenhygiene sowie der Gesundheitsideologie des Dritten Reichs die Geburtenzahl sogenannter »arischer« Kinder zu erhöhen. Die Idee des Vereins wurde maßgeblich von Heinrich Himmler getragen, der in einem Rundschreiben an die gesamte SS und Polizei vom 28. Oktober 1939 dazu aufforderte, auch »außerhalb der Ehe« Kinder mit Frauen »guten Blutes« zu zeugen. Dementsprechend fanden nur Frauen, die die ideologischen, gesundheitlichen und rassehygienischen Maßstäbe des Dritten Reichs erfüllten, Aufnahme in einem Lebensbornheim.
Die Zentrale des Lebensborn befand sich in München. Ärztlicher Leiter war Himmlers Leibarzt Gregor Ebner. Der Verein unterhielt mehr als zwanzig Heime im damaligen Deutschen Reich, Österreich, Belgien, Frankreich, Luxemburg und Norwegen, in denen zumeist ledige, schwangere Frauen, Unterkunft, medizinische Versorgung und Verpflegung bis nach der Geburt der Kinder erhielten. Bei unehelich geborenen Kindern wurden diese, falls die Frauen sie nicht selber aufziehen wollten, in Pflegefamilien vermittelt, die der Ideologie des Dritten Reiches treu ergeben waren und z.B. durch Mitgliedschaft in der SS aktiv an seinen Verbrechen mitwirkten.
Daneben war der Lebensborn Durchgangsstation für Kinder, die ihren Eltern oder sonstigen Angehörigen in den besetzten Gebieten, wie z.B. Polen, Norwegen, Belgien oder den Niederlanden geraubt worden waren, falls diese Kinder im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie als »arisch« galten. Dem planmäßigen Entschluss zum Kindesraub gab Himmler mehrfach Ausdruck, unter anderem in einer Rede vor SS-Gruppenführern in Posen, wo er sagte: »Das, was in den Völkern an gutem Blut unserer Art vorhanden ist, werden wir uns holen, indem wir ihnen, wenn notwendig, die Kinder rauben und sie bei uns großziehen.«
Die einzelnen Stationen dieses Kindesraubs, die Überprüfung der Zugehörigkeit zu einer sogenannten »arischen Rasse« und die Verwischung der Spuren der geraubten Kinder erzählen wir beispielhaft am Schicksal der kleinen Agnieszka Król in unserem Roman. Für polnische Raubkinder waren neben dem Kinderkonzentrationslager Lodz/Litzmannstadt und den Gaukinderheimen in Brochow/Brockau und Kalisz/Kalisch das Lebensbornheim Pommern in Połczyn-Zdrój/ Bad Polzin Durchgangs- und Eindeutschungsstationen.
Gegen Ende des Krieges wurden die Lebensbornheime aufgelöst oder wie das Heim Pommern, im Februar 1945, evakuiert. Dabei wurden die meisten Akten vernichtet, sodass viele sowohl geraubte als auch in den Heimen geborene Kinder ihr Leben lang über ihr Schicksal im Dunkeln blieben. Gleichzeitig war es Angehörigen kaum noch möglich, ihre Kinder wiederzufinden. Die Arolsen Archives (früher: Internationaler Suchdienst ITS, Bad Arolsen), die u.a. die Aufgabe haben, die Schicksale von unter den Nazis Verfolgten zu klären und nach Familienangehörigen zu suchen, unterstützen bei dieser fast aussichtslosen Suche. In den Lebensbornheimen geborene Kinder erfuhren nur von ihrem Schicksal, wenn die leibliche Mutter oder die Pflegefamilie ihnen dieses offenbarten. Aufgrund dieser Umstände ist es nicht möglich, genaue Zahlen über die in den Heimen geborenen oder die geraubten Kinder zu ermitteln. Der Verein Lebensspuren – https://lebensspuren-deutschland.eu/der-lebensborn/ schätzt, dass in den deutschen Heimen zwischen 8000 und 9000 Kinder geboren wurden. Die Zahl der geraubten Kinder lässt sich ebenfalls kaum bestimmen. Die Historikerin Dr. Ines Hopfer nennt allein für Polen Schätzungen zwischen 20.000 und 200.000 geraubten Kindern.
Nach dem Krieg wurde der Lebensborn von der US-Militärgerichtsbarkeit bei den Nürnberger Prozessen fatalerweise als karitativer Verein interpretiert. Nur vier ehemalige leitende Funktionäre standen vor Gericht und wurden alle freigesprochen. Inge Viermetz, die zum sogenannten SS-Gefolge zählte und u. a. für die zwangsweise Verschleppung von dreihundert polnischen Kindern verantwortlich war, wurde als einzige Frau angeklagt. Himmlers Leibarzt Gregor Ebner wurde lediglich für seine SS-Mitgliedschaft zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt, die er bereits während der Untersuchungshaft abgesessen hatte. Danach war er als Praktischer Arzt in Bayern tätig.
Die Gebäude des Lebensbornheims Pommern existieren noch und beherbergen heute das Sanatorium Borkowo.

Maria Pinczewska, die als Kinderpflegerin im Gaukinderheim Kalisz arbeitete, ist eine historische Person. Sie sammelte Daten über die Kinder im Heim und korrespondierte mit den Eltern, wenn dieses möglich war. Außerdem befreite sie einige Kinder zusammen mit dem Tischler Stanislaw Kulczyński. Marias Heft mit den Namen und Adressen der Kinder sowie einige Briefe werden im Stadtarchiv von Kalisz aufbewahrt. Zygmunt Światłowski und Tereza Wojtek waren zwei der geraubten Kinder im Heim Kalisz. Der im Buch geschilderte Vorfall hat sich wirklich ereignet. Es gab jedoch keine Zeugen, als die Heimleiterin Johanna Zander Zygmunt in den Keller schleppte. Aus dem blau angelaufenen Zustand seiner später gefundenen Leiche wurde gefolgert, dass die Heimleiterin ihn in eine offene Stromleitung gestoßen habe. Zygmunts Grab befindet sich auf dem Militärfriedhof Majków in Kalisz.
Norbert Schwab, der Leiter des Heims Pommern ist ebenfalls eine historische Figur. Was aus ihm nach dem Krieg wurde, konnten wir nicht in Erfahrung bringen.